Hochschulen: Plagiate – Nur wenige Studenten werden erwischt - WELT (2024)

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Eine korrekte Quellenangabe, das ist das Namensschildchen für geistiges Eigentum. Doch die vielfältigen Angebote im Internet sind verführerisch – mit nur wenigen Klicks können Sätze oder ganze Passagen übernommen werden.

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Fremdleistungen kenntlich zu machen ist jedoch einer der Hauptansprüche an wissenschaftliches Arbeiten. Allerdings existieren an Hochschulen wie eine Umfrage der dpa in Rheinland-Pfalz jetzt zeigt, bislang kaum einheitliche Richtlinien oder Programme, um schummelnde Studenten beim Abschreiben zu ertappen. Entsprechend niedrig ist die Zahl der entdeckten Plagiate.

So berichtet die Fachhochschule (FH) MAINZ von etwa fünf identifizierten Fällen im Jahr. Doch Anett Mehler-Bicher vom Fachbereich Wirtschaft glaubt, dass die Dunkelziffer viel höher liegt. Sie schätzt, dass zehn bis zwanzig Prozent der Arbeiten eigentlich als Plagiate gewertet werden müssten. Dass dies nicht passiert, erklärt sie mit dem aufwendigen Aufspüren: „Plagiate sind gar nicht so leicht zu identifizieren. Die Studenten gehen immer geschickter vor.“

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Als Plagiat gilt eine Arbeit laut Mehler-Bicher, wenn in der Summe eine von dreißig Seiten kopiertes Material enthält. Seien die entsprechenden Stellen jedoch ausschlaggebend für die These der Arbeit, könne auch schon weniger zum Durchfallen reichen. Wer zweimal beim Schummeln erwischt wird, dem droht die Exmatrikulation. Bisher sei dies jedoch noch nicht vorgekommen, so Mehler-Bicher.

An der FH müssen Abschlussarbeiten auch in digitaler Form abgeliefert werden. Den einzelnen Dozenten stehe es frei, auch bei Hausarbeiten ein digitales Exemplar zu fordern, sagt Mehler-Bicher - um dann mit einer Plagiatssoftware das Werk gegebenenfalls zu überprüfen. Doch was den Nutzen dieser Software angeht, ist Mehler-Bicher skeptisch: „Die hilft nicht viel, da findet man mehr, wenn man sich mit Google auf die Suche macht.“

Die Mentalität der Studenten zeige sich bei Informationsveranstaltungen zu dem Thema: „Da werden wir nur müde belächelt. Die meisten denken sich wohl: Ich werd eh' nicht erwischt“, sagt Mehler-Bicher. „Am ehesten erkennt der Prüfer Plagiate darin, dass sich der Schreibstil plötzlich ändert“.

Nach Angaben der Johannes Gutenberg-Universität in Mainz bekommt jeder Student am Anfang des Studiums ein Merkblatt zum Thema „Prüfungsleistungen und Urhebergesetz“, das ihn über Plagiate und mögliche Konsequenzen aufklärt. In der Regel werde bei Abgabe einer schriftlichen Arbeit eine schriftliche Erklärung gefordert. In dieser muss versichert werden, dass die Arbeit selbstständig verfasst und korrekt zitiert wurde, sagt Mechthild Dreyer, Vizepräsidentin für Studium und Lehre.

„Wer schummelt, der bekommt die Prüfung nicht anerkannt, wird ermahnt und muss wiederholen. Bei schwerwiegenden Fällen, insbesondere bei einem erneuten Täuschungsversuch, wird derjenige exmatrikuliert.“ So ein Ausschluss habe schwerwiegende Konsequenzen für den Studierenden, da er in dem Studiengang an keiner anderen deutschen Universität mehr aufgenommen wird.

Auch nach Abschluss des Studiums kann ein Titel aufgrund eines Plagiatsvorwurfs noch aberkannt werden. Bei Erstabschlüssen müsse dies innerhalb von zwei Jahren passieren, für Promotionen gelte diese Verjährungsfrist jedoch nicht.

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Dass der Doktorgrad entzogen wird, könnte nun auch Bundesverteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) drohen. Dieser muss sich derzeit gegen Vorwürfe wehren, in seiner Doktorarbeit abgeschrieben zu haben. Er soll an vielen Stellen fremde Textpassagen ohne Quellenangabe verwendet haben. Guttenberg hat den Plagiatsvorwurf zurückgewiesen. Er wurde nun von der Universität Bayreuth aufgefordert, innerhalb von zwei Wochen eine schriftliche Erklärung zu den Vorwürfen abzugeben.

Die Möglichkeit einer Stellungnahme ist auch an rheinland-pfälzischen Hochschulen üblich. Dabei könnten viele Vorwürfe ausgeräumt werden, meint Eva Heinemann aus dem Fachbereich Rechts- und Wirtschaftswissenschaften der Uni Mainz: „Viele Studenten zitieren nicht absichtlich falsch, sondern aus Unwissenheit. Das ist menschlich.“ So sei es auch bei einem Fall 2004 gewesen, der keine Exmatrikulation zur Folge gehabt habe. Seitdem habe es keine Plagiatsvorwürfe an der Fakultät gegeben.

Im Gegensatz zu anderen Fachbereichen sieht die Prüfungsordnung keine schriftlichen Erklärungen vor und die Arbeiten in Rechts- und Wirtschaftswissenschaften müssten auch nur auf Papier gedruckt abgegeben werden. „Bisher war es nicht nötig, eine Software zu nutzen. Die Gutachter kennen sich mit dem Thema und der Literatur aus, die würden das merken, wenn jemand größere Teile kopiert“, sagt Heinemann.

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Nicht nur bei Texten wird abgekupfert, sondern auch bei Zeichnungen. So berichtet Daniela Held aus dem Prüfungsbüro des Fachbereichs Technik, dass schon mehrfach Architektur-Entwürfe gefälscht worden seien: „Es gibt immer mal wieder Leute, die sich bei Studienkollegen Sachen abschauen, statt selbst kreativ zu werden“. Im Jahr gebe es jedoch nur etwa zwei Fälle, die beim Prüfungsamt zur Sprache kämen. Jedem Plagiator drohe die Exmatrikulation, bisher sei dies jedoch noch nicht vorgekommen, erklärte Held.

Auch an der Universität Koblenz-Landau gab es bisher kaum registrierte Fälle von Plagiaten, berichtet ein Sprecher. Der Umgang mit solchen Täuschungsversuchen sei jedoch nicht zentral geregelt und es würden auch keine Statistiken geführt. „Jeder Fachbereich hat eine eigene Prüfungsordnung“, erklärt der Sprecher. Es gebe jedoch eine „Verfahrensordnung zur Sicherung guter wissenschaftlicher Praxis“.

Im Fachbereich Mathematik der Technischen Universität in Kaiserslautern gab es vor einiger Zeit den Fall eines ausländischen Studenten, der seine Arbeit aus Versatzstücken anderer Arbeiten zusammengesetzt hatte. Die Arbeit sei als nicht bestanden gewertet worden, sagt der Geschäftsführer des Fachbereichs, Christoph Lossen. In der Mathematik seien Plagiate aber eher schwieriger als in anderen Bereichen. „Bei uns werden ja meist wissenschaftliche Arbeiten gemacht, weniger Aufsätze.“

Wenn den Prüfern Zweifel kommen, jagen sie etwa Sätze aus der Arbeit durch Suchmaschinen. Eine Software, die automatisch Plagiate entdecken könne, setze voraus, dass die untersuchte Arbeit in elektronischer Form abgegeben wurde. Dies sei heute jedoch noch nicht Standard. Lossen betont, dass das Internet mit seinen Möglichkeiten den Studenten Plagiate erleichtere.

„Früher musste man erstmal in die Bibliothek und Bücher wälzen. Heute findet man Vieles mit einem Klick im Internet.“ Lossen glaubt, dass manchem Studenten auch das Bewusstsein für sauberes wissenschaftliches Arbeiten fehle. „Das fängt ja schon in der Schule an, wenn ganze Passagen des Referats einfach aus Wikipedia kopiert werden.“

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